Digitalisierung der einfachen Meldebescheinigung

Erarbeitung eines Prototyps - Laura Csulits

Kurzzusammenfassung

Um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, muss die öffentliche Verwaltung neue Strategien entwickeln. Im Folgenden soll eine mögliche Strategie aufgezeigt und erläutert werden – die Erstellung eines Prototyps für neue Online-Prozesse in der Verwaltung unter Einbeziehung der Nutzerperspektive. Diese wird konkret auf den Digitalisierungsprozess der einfachen Meldebescheinigung in Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm angewandt.

Mit Hilfe von Experten- und Nutzerinterviews konnten Schwachstellen des jetzigen Vorgangs und Verbesserungsvorschläge identifiziert werden. Durch die geführten Interviews sind wir zu dem Schluss gekommen, dass der Prozess im Ist- Zustand für die Nutzer*innen generell zufriedenstellend abläuft. Nichtsdestotrotz wurde eine Online- Beantragung von allen Bürger*innen angesprochen und favorisiert. Hauptargumente für den Online Prozess sind dabei die flexible Beantragung, Unabhängigkeit der Sprachkenntnisse, aber auch die einfache Weiterverwendung. Auf dieser Basis war es möglich einen Prototyp für einen passenden Online Prozess anzufertigen.

Einbettung in den Kontext

Die öffentliche Verwaltung vernachlässigt in ihrer Perspektive häufig die Intuition, die subjektive Beurteilung und das bereits vorhandene implizite Wissen der Bürger*innen. Dies führt zu einer Divergenz zwischen der Sichtweise der Verwaltung auf der einen Seite und der Bürger*innen als Nutzer*innen auf der anderen Seite. Um eine Digitalisierung der Verwaltungsprozesse erfolgreich umzusetzen ist es deshalb wichtig die sogenannte “Nutzerbrille” aufzusetzen. Gerade bei der Entwicklung von effektiven und nutzerfreundlichen digitalen Dienstleistungen ist es wichtig, die Sicht der Bürger*innen mit einzubeziehen, um ein prototypisches Design für, von und mit den Nutzer*innen zu erstellen (Jaeger & Bertot, 2010). Als Prototyp bezeichnet man hierbei die Darstellung einer möglichen Umsetzung der Digitalisierung.

Im Folgenden wird an einem Beispiel der Verlauf eines prototypischen Designs in der öffentlichen Verwaltung skizziert. Zu Beginn werden grundlegende Informationen über die einfache Meldebescheinigung und das Vorgehen zur Informationsbeschaffung aufgezeigt. Nachfolgend werden Problematiken aus der Nutzer*innenperspektive erörtert, um anschließend auf die Umsetzung einzugehen.

Methodik

Schritt 1- Erfassung der grundlegenden Informationen über den Prozess der einfachen Meldebescheinigung in Ulm

Am Anfang ist es wichtig sich einen Überblick über den Ist-Zustand des Prozesses zu verschaffen. Hierfür haben wir als Methode Experteninterviews durchgeführt. Wir konnten durch das Interview mit der Sachgebietsleiterin der Melde- und Passbehörde zum Beispiel Informationen über den Ablauf der Beantragung und die anfallenden Kosten sammeln. Außerdem konnten wir mit Hilfe des Interviews eine Flowchart und ein Prozessstreckbrief erstellen.

Während des Experteninterviews wurde deutlich, dass die einfache Meldebescheinigung nur ein kleiner Teil in einem größeren Verwaltungsprozess ist. Die einfache Meldebescheinigung gibt Auskunft über den aktuellen Meldestatus einer Person und enthält in der Regel den Familien- und Vornamen, sowie die gegenwärtige Anschrift des Antragstellers/ der Antragstellerin. Sie wird zum Beispiel für das Arbeitsamt, das Konsulat oder auch die Bank benötigt. Somit wurde deutlich, dass es sich um einen Prozess der Koproduktion handelt und die verschiedenen Ämter/Behörden indirekt zusammenhängen. Der Antragsteller/die Antragstellerin muss nach Erhalt der einfachen Meldebescheinigung mit diesem Dokument also immer zu weiteren Ämtern/ Behörden. Gerade hier könnte sich ein online erstelltes und digital verfügbares Dokument als sinnvoll erweisen, da es den hohen Zeitaufwand des größeren Verwaltungsprozesses verkürzen kann.

Im nächsten Schritt wird beschrieben, wie wir durch die Nutzerinterviews, eine Bewertung des aktuellen Prozesses erstellt haben. Hierbei wird der Fokus auf die Sicht der Nutzer*innen gelegt. Allgemein sind Nutzerinterviews äußerst wichtig, da man hierbei herausfinden kann, wer die Nutzer*innen des Prozesses sind und welche Erwartungen wiederum an den Prozess gestellt werden (Osborne, Radnor & Nasi, 2012). Die Interviews bilden außerdem die Grundlage für die Erstellung des Prototyps.

Schritt 2- Identifizierung von Problematiken aus der Nutzer*innenperspektive

Durch die Nutzerinterviews konnten wir eine allgemeine Zufriedenheit mit dem aktuellen Prozess feststellen. Dennoch haben alle Nutzer*innen die Möglichkeit einer Online- Beantragung zur Verbesserung des Service von sich aus angesprochen.



Abbildung 1: User-Journey

Da die Meldebescheinigung, wie oben erwähnt, nur ein kleiner Teil in einem größeren Verwaltungsprozess ist, hilft eine sogenannte User- Journey (Abbildung 1) bei der Übersichtlichkeit der einzelnen Schritte (vor, während und nach der Beantragung der Meldebescheinigung). Dabei wird außerdem zwischen persönlichen Erfahrungen der Nutzer*innen (Bereich oberhalb der Line of Visibility) und Vorgängen in der Verwaltung an sich (Bereich unterhalb der Line of Visibility) unterschieden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Technik der User-Journey es erlaubt die in den Nutzerinterviews gesammelten Daten zusammenzufassen und zu zeigen, dass der Prozess aus fünf konkreten Schritten bestand.

Schritt 3- Konkrete Umsetzung des digitalen Prototyps

Im weiteren Verlauf, gerade im Hinblick auf den Prototyp, ist es wichtig die erhaltenen Informationen in Bezug auf ihre Umsetzbarkeit zu konkretisieren. Dazu gehören Überlegungen über die nutzerfreundlichste Umsetzung, sowie Abwägungen über die Wichtigkeit der einzelnen Aspekte.

Die erste wichtige praktische Überlegung in Bezug auf die einfache Meldebescheinigung ist die Frage nach der Registrierung der Nutzer*innen. Es kann zwischen dem Errichten eines Service Kontos über die Personalnummer und dem Login über den Namen und das Geburtsdatum abgewogen werden. Hierbei spielt der Datenschutz der Nutzer*innen eine große Rolle. Ein mögliches Problem stellt eine nicht vorhandene Personalnummer da. Ist dies der Fall, haben die Bürger*innen erst eine Berechtigung die Meldebescheinigung online zu beantragen, wenn die Personalnummer über eine andere Behörde ermittelt wurde.

Im weiteren Verlauf müssen die Nutzer*innen die Möglichkeit haben, sich entweder für einen bestimmten Bereich (Meldewesen, Passwesen, Entsorgungsbetriebe, etc.) entscheiden zu können. Alternativ könnte sich ein Fenster mit allen vorhanden Online Diensten öffnen, in dem die Nutzer*innen, den benötigten Service auswählen können.

Da die Nutzer*innen eventuell selber nicht wissen, welche Art von Meldebescheinigung (einfache/erweiterte) benötigt wird, muss der Prototyp auch hier eine gewisse Hilfestellung gewährleisten. Dies kann durch die Beantwortung der Frage, für welches Amt die Meldebescheinigung benötigt wird, garantiert werden.

Die einfache Meldebescheinigung kann bei der Stadt Ulm auch von Dritten, einem/einer sogenannten Betreuer*in, beantragt werden. Hierbei muss auf die Datenbanken des Sozialamtes zugegriffen werden, um direkt eine Auswahlmöglichkeit der zu betreuenden Personen aufzuzeigen. Eine ständige Synchronisation der Datenbanken muss hier außerdem gewährleistet werden.

Durch die Nutzerinterviews konnte außerdem herausgefunden werden, dass es die Möglichkeit einer Kostenbefreiung gibt, insofern die Meldebescheinigung für das Arbeitsamt benötigt wird. Somit muss zwischen der Beantragung für das Jobcenter und der Beantragung für andere Ämter unterschieden werden können. Daher müsste man mit einem Code oder einer anderen Verifizierungsmethode des Jobcenters arbeiten.

Eines der wichtigsten Ziele der Onlinebeantragung stellt die Zeitersparnis da. Hierbei muss abgewogen werden, wie die Ausstellung des Dokumentes erfolgen kann. Eine Option wäre der sofortige Download einer PDF Datei, welche wiederum per Email an die ursprüngliche Behörde weitergeleitet werden könnte. Des Weiteren gibt es im Hinblick auf den Zahlungsprozess verschiedene Alternativen. Das SEPA- Lastschriftverfahren, PayPal, sowie die Rechnung sind hier mögliche Optionen. Eine Problematik wäre die Zahlungsunfähigkeit der Nutzer*innen, welches dazu führen müsste, dass die Ausstellung der Meldebescheinigung verweigert wird.

Damit die Nutzer*innen jederzeit die Möglichkeit haben Ihre Angaben zu überprüfen bzw. zu ändern sollte es neben einer ständig vorhanden zurück Option auch die Möglichkeit eines Überblicks der Daten vor der endgültigen Beantragung geben.

 

Lösungsansatz/Ergebnisse der Arbeit

Durch die Nutzerinterviews kamen wir zu dem Schluss, dass besonders die zeitliche Erleichterung durch eine Onlinebeantragung eine wesentliche Rolle spielt. Berufstätige argumentieren mit den jetzigen schlecht angepassten Öffnungszeiten. Ein Besuch bei der Behörde ist mit der Anfahrt, den Wartezeiten und der Dauer der Ausstellung verbunden. Gerade bei einem Prozess wie der einfachen Meldebescheinigung hängen mehrere Behördengänge zusammen. Durch die Onlinebeantragung ist es möglich, den Nutzer*innen diese zu ersparen und ihnen mehr Zeit für anderes einzuräumen. Ein weiteres Problem stellt die Sprachbarriere dar, die bei einer Online Beantragung -durch die Möglichkeit die Sprache auszuwählen- umgangen werden kann. Da auch die Option besteht, dass Betreuer für Dritte eine Meldebescheinigung beantragen müssen, wäre eine Digitalisierung insofern vorteilhaft, da man Weg- und Zeitkosten sparen könnte.

Praktische Implikationen

Bei der Betrachtung des Prozesses der einfachen Meldebescheinigung sind uns vier Aspekte besonders aufgefallen, die eine Stadt wie Ulm beachten sollte, um den Digitalisierungsprozess möglichst nutzerfreundlich und damit erfolgreich zu gestalten:

1) Unter Einbezug von Experten- und Nutzerinterviews muss zum einen darauf geachtet werden den Prozess möglichst nutzerfreundlich zu gestalten. Es müssen hierbei grundlegende Fragen zur Verifizierung, Kostenbegleichung, Ausstellung, etc. geklärt werden.

2) Zum anderen muss ganz gezielt darauf geachtet werden, dass man Fehlinvestitionen entgegenwirkt. Dies kann man durch den Einbezug der Nutzer*innen in den Entwicklungsprozess garantieren. 

3) Zusätzlich sollte die Verwaltung die Möglichkeit auf die Einschätzungen der Nutzer*innen zu reagieren und den Prototyp über einen gewissen Zeitraum zu verändern nutzen, bis ein endgültig zufriedenstellender Prozess für die Nutzer*innen entsteht.

4) Bei Prozessen der Koproduktion sollten öffentliche Verwaltungen zusätzlich immer darauf achten, alle involvierten Ämter von Anfang an mit einzubeziehen, um eine effektive Umsetzung zu gewährleisten.

Über die Autorin:

Laura Csulits studierte von 2016 bis 2020 an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften und legte ihren Schwerpunkt hierbei auf die Bereiche Management und Verwaltung. Seit ihrem Bachelorabschluss arbeitet Laura Csulits als persönliche Referentin eines Landtagsabgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg.

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