Der Einfluss externer Digitalisierungsberatung auf die öffentliche Verwaltung

Kurzzusammenfassung

Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit ist die Untersuchung der Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung und externen Dienstleistenden. Im Vordergrund der Arbeit stand die Frage, welche Auswirkungen die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen auf die öffentliche Verwaltung, insbesondere auf die sogenannten öffentlichen Werte (public values) hat. Bei den öffentlichen Werten handelt sich um die Werte, Prinzipien und Überzeugungen, die der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung zugrunde liegen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit zeigen, dass die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen zu einem oberflächlichen Wandel innerhalb der öffentlichen Verwaltung führt, indem Prozesse verändert und (kurzfristig) neue Methoden übernommen werden. Tiefgreifende Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung lassen sich jedoch nicht feststellen. Allerdings führen die unterschiedlichen Wertvorstellungen der öffentlichen Verwaltung und der externen Dienstleistenden häufig zu Problemen. Um einen Beitrag zur Verbesserung der Kooperation zu leisten, enthält der Artikel daher mehrere Handlungsempfehlungen für die Verwaltungspraxis.

Einbettung in den Kontext

Um die Digitalisierung der deutschen öffentlichen Verwaltung voranzubringen, wurde im Jahr 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG) auf den Weg gebracht. Im Rahmen der Umsetzung des OZG arbeitet die öffentliche Verwaltung häufig mit externen Dienstleistenden (wie z.B. Beratungs- oder IT-Unternehmen) zusammen (Punz, 2019). Diese unterstützen die öffentliche Verwaltung, indem sie beispielsweise Onlineprozesse für die entsprechende Behörde entwickeln. Solche Onlineprozesse ermöglichen es den Bürger*Innen Anträge digital einzureichen.

Die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen durch die öffentliche Verwaltung führt jedoch häufig zu Problemen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass hier gewissermaßen zwei verschiedene Welten aufeinandertreffen. So basiert die Arbeit der Verwaltung auf spezifischen Werten, wie beispielsweise der Rechtmäßigkeit und Transparenz des Verwaltungshandelns. Diese Werte und Grundsätze unterscheiden sich in bedeutendem Maße von den der externen Dienstleistenden, die vor allem nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien agieren (Saint‐Martin, 1998). Solche Prinzipien lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf die öffentliche Verwaltung übertragen, da beispielsweise die betriebswirtschaftlich motivierte Forderung nach einem „schlanken Staat“  nicht unbedingt mit den rechtstaatlichen und verfassungsrechtlichen Grundprinzipen der öffentlichen Verwaltung vereinbart werden kann (Lühr, 2019).

Aus diesem Grund steht die Kooperation zwischen der öffentlichen Verwaltung und externen Dienstleistenden, die in der Öffentlichkeit immer wieder kontrovers diskutiert werden, unter einem besonderen Spannungsverhältnis. Es stellt sich die Frage, ob die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen möglicherweise negative Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung hat, indem Werte wie z.B. Rechtmäßigkeit oder Transparenz beeinträchtigt werden. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn das von Externen eingebrachte Ziel der Effizienzsteigerung dazu führt, dass Entscheidungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung nicht mehr nachvollzogen werden können. Dadurch wäre die Transparenz des Verwaltungshandelns beeinträchtigt. Bei der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen durch die öffentliche Verwaltung ist zudem zu berücksichtigen, dass diese nur mithilfe von Steuergeldern finanziert werden können (Armbrüster, Banzhaf, & Dingemann, 2010). Daher müssen solche Kooperationen immer wieder neu demokratisch legitimiert werden. Eine genauere Untersuchung der Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung und externen Dienstleistenden, um herauszufinden, welchen Einfluss externe Dienstleistende auf die öffentliche Verwaltung haben, sollte nicht zuletzt auch für die Gesamtgesellschaft von Interesse sein.

Methodik

Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden 14 Interviews mit Experten aus der öffentlichen

Verwaltung, sowie aus Beratungsunternehmen und IT-Dienstleistungsunternehmen durchgeführt. Dabei handelt es sich um Personen, die auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an Digitalisierungsprojekten in der öffentlichen Verwaltung beteiligt sind. Die Datenanalyse orientierte sich an den Prinzipien der Grounded Theory (Strauss & Corbin, 1998). Die im Rahmen der Interviews erhobenen Daten wurden mithilfe eines zweistufigen Kodierungsprozesses (Saldaña, 2016) analysiert.

Ergebnisse der Arbeit

Konkurrenz, aber wenig Beeinträchtigung der Werte der öffentlichen Verwaltung

Wenn die öffentliche Verwaltung mit externen Dienstleisten kooperiert, könnte befürchtet werden, dass beispielsweise Transparenz als wichtiger öffentlicher Wert beeinträchtigt wird. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen jedoch, dass die Werte der öffentlichen Verwaltung durch die Kooperation mit externen Dienstleistenden nicht beeinträchtigt werden. Allerdings haben die Wertvorstellungen der beteiligten Akteur*innen erheblichen Einfluss auf die Kooperation. Dies lässt sich daran erkennen, dass viele der Probleme, die im Rahmen solcher Kooperationen auftreten, auf unterschiedliche Wertvorstellungen zurückzuführen sind. So wird die Einführung neuer Werte durch externe Dienstleistenden, wie z.B. der Wert der Agilität durch das robuste Wertefundament der öffentlichen Verwaltung erschwert. Deshalb lässt sich nicht erkennen, dass die öffentlichen Werte durch die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen beeinträchtigt werden. Vielmehr führt die starke Verankerung solcher Werte wie beispielsweise Rechtmäßigkeit, Transparenz und Verantwortlichkeit zu einer größeren Risikoaversion gegenüber Veränderungen und externen Einflüssen. Deshalb werden die öffentlichen Werte durch die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen zwar nicht nachhaltig beeinträchtigt, sie stehen aber zumindest in Konkurrenz zu den Werten, die von außen eingebracht werden.

Oberflächlicher statt tiefgreifender Wandel

Je stärker das Wertefundament innerhalb der öffentlichen Verwaltung verankert ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen zu einem tiefgreifenden strukturellen Wandel innerhalb der öffentlichen Verwaltung führt. Zwar werden Prozesse verändert und teilweise, wenn auch nur kurzfristig, neue Methoden übernommen, ein tiefgreifender Wandel hin zu mehr Agilität sowie die Übernahme von Werten aus der Privatwirtschaft lässt sich jedoch nicht erkennen. Einerseits bringen die externen Dienstleistenden neue Perspektiven sowie einen „Blick von außen“ in die öffentliche Verwaltung. Andererseits werden Prozesse innerhalb der öffentlichen Verwaltung und Prozesse mit externen Akteuren (wie Bürgern oder Wirtschaftsunternehmen) verändert bzw. modernisiert. Dies führt i.d.R. dazu, dass neue Methoden beispielsweise agile Methoden, die der Nutzerorientierung dienen, Einzug in die öffentliche Verwaltung halten. Nachhaltiger Wandel, z.B. im Hinblick auf die dauerhafte Übernahme agiler Methoden, setzt jedoch einen Wandel des Mindsets innerhalb der öffentlichen Verwaltung voraus und erfordert dementsprechend ein gewisses Maß an intrinsischer Motivation. Ein solcher Wandel kann deshalb nicht von außen aufgezwungen werden.

Unterschiedliche Erwartungen

Zudem zeigten die Ergebnisse der Studie, dass die Erwartungshaltung der öffentlichen Verwaltung im Vorfeld solcher Kooperation sich von den Erwartungen der externen Dienstleistenden unterscheidet. Wenn die öffentliche Verwaltung externe Dienstleistungen in Anspruch nimmt, geht die Erwartungshaltung über das bloße Erhalten einer Dienstleistung hinaus. So wird v.a. erwartet, dass die Dienstleistenden über soziale Kompetenzen verfügen, indem sie insbesondere Empathie für die Bedürfnisse der Verwaltungsmitarbeitenden aufbringen und über kommunikative Fähigkeiten verfügen. Die externen Dienstleistenden hingegen gehen eine Kooperation mit der öffentlichen Verwaltung vor allem mit der Erwartung ein, eine Dienstleistung zu erbringen, in der sie beratend und unterstützend tätig sind.

Praktische Implikationen

Aus den Untersuchungsergebnissen konnte eine Reihe an Implikationen für die Praxis abgeleitet werden. Diese können einen Beitrag dazu leisten, die Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung und externen Dienstleistenden zukünftig zu verbessern, sodass die Ansprüche beider Seiten befriedigt werden können.

1. Kommunikation stärken

Um eine gute Grundlage für die Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung und externen Dienstleistern zu schaffen, sollte im Vorfeld über die Vorstellungen und Erwartungen der beteiligten Akteure gesprochen werden. Dabei gilt es auch, die Rahmenbedingungen der Kooperation festzulegen und zu vereinbaren, wie mit einer Nichteinhaltung des Zeitplans oder des Budgets umgegangen wird. Im Verlauf eines Projekts sollten regelmäßige Treffen der Beteiligten stattfinden, um Probleme oder Hindernisse frühzeitig zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen.

2. Vorbehalte abbauen und gegenseitiges Verständnis schaffen

Um Vorbehalte abzubauen, die sowohl auf Seiten der öffentlichen Verwaltung als auch der externen Dienstleistenden bestehen, empfiehlt es sich, zu Beginn einer Kooperation ausreichend Zeit einzuplanen, damit sich alle Beteiligten kennenlernen. Je nach Zeit und Budget bieten sich dafür Teambildungsmaßnahmen oder gegenseitige Hospitationen an. Im Idealfall können so ein gegenseitiges Verständnis und ein Bewusstsein für die Arbeit „der anderen Seite“ geschaffen werden.

3. Kompetenzen erweitern

Um den Erfolg von größeren Projekten, gerade im Hinblick auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, zu gewährleisten, sollten deren Mitarbeitende über Kenntnisse im Bereich des Projektmanagements sowie agiler Methoden verfügen. Auch der Umgang mit externen Dienstleistern kann und sollte erlernt werden, indem Kommunen und Behörden, die bereits erfolgreich mit externen Dienstleistern kooperiert haben, ihr Wissen, insbesondere die „best practices“, für andere zur Verfügung stellen und man sich untereinander vernetzt und austauscht.

4. Widerstand strategisch lösen

Verantwortliche sollten von vorneherein festgelegen, wie man mit den Personen umgeht, die die Kooperation mit externen Dienstleistenden blockieren. Entweder führt man Projekte mit den Mitarbeitenden durch, die motiviert und offen gegenüber Veränderungen sind. Oder man integriert gezielt die Mitarbeitenden in das Projektteam, die das Projekt, bewusst oder unbewusst, durch ihre Einstellung blockieren. Darüber hinaus sollten Führungskräfte die Ursachen identifizieren, die zu einer Blockadehaltung führen. Führungskräfte sollten Verständnis für die Reaktion der Mitarbeitenden haben und versuchen, Ängste und Unsicherheiten zu nehmen. Wenn sich alle Mitarbeitenden über Veränderungen informiert fühlen und vom Nutzen der Inanspruchnahme externer Dienstleistungen überzeugt sind, senkt dies die Wahrscheinlichkeit einer Blockadehaltung.

Zudem sollte die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden gestärkt werden indem man ihnen die Vorzüge der Digitalisierung deutlich macht. Letztendlich profitieren diese als Bürger*innen selbst von einer effizienteren und moderneren öffentlichen Verwaltung.

Zentrale Punkte

Noch lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die zunehmende Inanspruchnahme externer Dienstleister langfristige Auswirkungen auf die in der öffentlichen Verwaltung inhärenten Werte hat. Ob die öffentlichen Werte an Bedeutung verlieren und langfristig um privatwirtschaftliche Werte ergänzt oder sogar von diesen ersetzt werden, bleibt abzuwarten. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, dass die öffentlichen Werte aufgrund ihrer festen Verankerung im Bewusstsein der Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung stabil bleiben. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass die öffentlichen Werte durch die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen zwar nicht nachhaltig beeinträchtigt werden, zumindest aber in Konkurrenz zu anderen Werten stehen, die von außen eingebracht werden. Weitere Forschung darüber, ob sich die öffentlichen Werte zukünftig weiterhin als Grundlage der öffentlichen Verwaltung bewähren, ist daher unabdingbar.

Über die Autorin:

Anna-Lena Binder hat an der Universität Tübingen Politikwissenschaft und Öffentliches Recht (B.A.) studiert und im Sommer 2020 ihren Master in Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz abgeschlossen. Zu ihren Forschungsinteressen zählen die vergleichende Wohlfahrtsstaatenforschung sowie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

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